Bettina Reinemann, geboren 1971 in Koblenz am Rhein, saß schon als Kind am liebsten am Zeichen- und Maltisch. Nach einer Ausbildung zur Schriftsetzerin studierte sie zwischen 1994 und 1999 Germanistik und Bildende Kunst mit Schwerpunkt Malerei bei Professor Heinz Pramann an der Universität Siegen. Es folgten einige Berufsjahre in verschiedenen Verlagen in Mainz und München. Bettina Reinemann lebt und arbeitet in München-Johanneskirchen.
Ein Ausstellungsrundgang
Text: Ellie Zips-Pape
Gemälde aus Stoffen und Fäden, sorgfältig in Lagen geschichtet und durch filigrane Einzelstiche akzentuiert – das ist die Handschrift von Bettina Reinemann. Durch die Komposition aus Materialien, Farben und haptischen Effekten hat die Künstlerin für sich eine sehr individuelle Ausdrucksform gefunden, die dem Betrachter vielfältige Perspektiven eröffnet. Alle Stoffe sind hinsichtlich ihrer Textur sorgfältig ausgewählt oder mit sehr speziellen Techniken und Farben grundiert. So liegen manche Leinwände tagelang im Schnee, während andere mit Textilfarben präpariert werden. Bettina Reinemann liebt das Experiment. Ihre Bilder geben keine definierte Sichtweise vor, sondern leben vom bewussten Spiel mit der Mehrdimensionalität.
Im Zentrum der Ausstellung im Durchhaus steht die Bilderserie »Mind Maps I-IV«. Hier verdichten sich Ideen und Motive ganz unterschiedlicher Art. In vier Gedankenblasen drängen sich auf engstem Raum gegenständliche Elemente neben abstrakten Formen. Vieles deutet sich an, ist zum Teil aber auch noch verborgen. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Fülle der Gedanken die Köpfe auf den vermeintlich schwachen Wirbelsäulen zum Bersten bringt. Die Mind Maps gewähren Einblick in einen Prozess, der voller Kraft und noch ohne konkretes Ergebnis im Gange ist. Aus einzelnen Themen, die sich in den Mind Maps andeuten, gehen die weiteren Bildgruppen der Ausstellung hervor.
Auf den monochromen Leinwänden der Werke »Aus der Dunkelheit«, »Ins Blaue« und »Das zweite Gesicht« sorgen unterschiedlich stark gruppierte Fadenstiche für farbliche und haptische Akzente. Die Gemälde kommen so in Bewegung. Immer wieder kneift man die Augen zusammen, um das Bild für sich scharf zu stellen. Doch wo im einen Moment das liebliche Lichtspiel zwischen Blättern am blauen Himmel zu erahnen ist, machen sich im nächsten Moment schwarze Gewitterwolken breit. Man kriegt sie nicht zu fassen, diese gestickten Bilder, und doch gelingt es ihnen, uns auf ganz besondere Art zu berühren.
Bilder, die anmuten wie kunstvoll gestaltete Landschaften mit prächtigen Farben und Strukturen, geben auf den zweiten Blick gegenständliche Motive frei. Sind es bei »Antlitz« zwei Gesichtshälften, die sich aus blau-violetten Farbflächen formieren, zeigt das Bild »Moskita« eine Stechmücke in Nahaufnahme. Stark vergrößert und auf Ausschnitte reduziert ist die feingliedrige, nahezu geometrische Struktur des Insektenkörpers in Farbflächen zerlegt. Je nach Blickwinkel und Fokus kann man nach und nach einzelne Teile des Tieres erahnen, während feine weiße Fäden ganz zart die Silhouette eines weiteren Moskitos über die farbigen Schichten legen. Von einem Moment auf den nächsten verschieben sich die Aussagen in diesen Bildern. Sie haben viele Gesichter, die man aber nie gleichzeitig sehen kann.
Ein schafähnlicher Hund zwischen einem flamingoartigen Papagei und einer schwer gehörnten Ziege – mit der vierten Bildgruppe greift Bettina Reinemann nochmal eine ganz andere Ideenwelt aus ihren Mind Maps auf. Kontrastreich und präzise heben sich die Gestalten mit den auffälligen Augen von der Leinwand ab. Zwar besitzen weder »Samantha« noch »Fred« oder »Susan« ein klar zu identifizierendes Erscheinungsbild, doch es ist offensichtlich, dass sie aus dem gleichen Holz geschnitzt sind. Was verbindet diese drei tierischen Wesen? Was trennt sie? Was ist ihre Geschichte?
Kontakt zur Künstlerin:
bitte über Durchhaus